Tür auf - Tür zu | Predigt von Pfarrer Markus Söffge

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Tür auf - Tür zu | Predigt von Pfarrer Markus Söffge

Predigt von Pfarrer Markus Söffge am 1. Sonntag nach Weihnachten – 2.1.2022 

Predigttext: 1. Joh. 5,11-13 

Tür auf – Tür zu - Zwischen Weihnachten und dem Neuen Jahr

 „Eine Tür, eine Tür tut sich auf für mich, und das Licht, und das Licht das grüßt dich und mich….“ 

Es ist erst 12 Tage her, dass ich dieses Lied mit den Kindern der Ardeyschule gesungen habe – unglaublich. Und vor gut einer Woche haben wir gemeinsam gesungen: „Komm o mein Heiland, Jeus Christ – meins Herzenstür dir offen ist“ - und jetzt ist Weihnachten schon wieder vorbei. 

Nicht ganz? Stimmt, bei uns steht noch der Weihnachtsbaum, einige von den Geschenken liegen auch noch da und wie hier in der Kirche, ist die Krippe noch aufgebaut. Doch nicht mehr lange – bei vielen Menschen schon recht bald- fliegen die Weihnachtsbäume vom Balkonen und aus dem Haus, Christbaumschmuck, Krippe und Jesuskind verschwinden wieder auf dem Dachboden oder im Keller. Tür auf – Tür zu – so schnell geht das.

Auch deshalb, weil sich wie von Zauberhand die nächste Tür geöffnet hat: 

die zum neuen Jahr. Es ist eigentlich ja nur der Wechsel von einem Tag zum nächsten und trotzdem verbinden wir mit dem neuen Jahr wieder neue Hoffnung, fassen neue Vorsätze, stellen die Lebenszeiger auf Neuanfang. 

Und was ist mir der Hoffnungstür, die Gott uns Menschen in dem kleinen Jesuskind in der Krippe zu Weihnachten gerade erst aufgestoßen hat? 

Wer wartet noch auf die Weisen aus dem Morgenland?  

Schon in frühchristlicher Zeit geriet man heftig darüber in Streit, welche Bedeutung das Kommen des Gottessohnes zu den Menschen überhaupt haben könne. Die einen –von denen es bis heute alle Jahre wieder sehr viel gibt- behaupten im Grunde: In Jesus hat Gott ein einmaliges Zeichen in die Welt geschickt. Ein Zeichen, wie er es mit uns Menschen hält. Das Heil für die Menschen ist darin ein für alle Mal beschlossen. An Weihnachten feiern wir sein Kommen in die Welt. Mehr braucht es nicht. Was sonst noch dazu gehört, Jesu Leben, seine Wundertaten, seine Worte, die Geschichten um Kreuz und Auferstehung, die Gottesdienste, Gebete und unser christliches Leben sind schmückendes Beiwerk. Schön, dass er an Weihnachten da war. Das genügt. Jetzt warten andere Aufgaben. 

Die anderen sagen: „Nein, nein. Jesu Kommen, sein Leben, Sterben und seine Auferstehung haben ganz entscheidenden Einfluss auf mein Leben und meinen Glauben. Jeden Tag. Jahr für Jahr. Sie sagen: Ich halte täglich Zwiesprache mit Gott und suche Wegeweisungen. Das hilft mir, um mein Leben und meine Aufgaben in Verantwortung vor Gott und den Menschen immer neu zu überdenken. Darum halte ich die Tür zum Weihnachtsfest gerne in mir offen.“ - Ich freue mich, Euch heute hier zu treffen, das lässt mich vermuten, dass wir eher zur zweiten Fraktion gehören. Sehr schön. 

Apropos Verantwortung. Ein kluger Kopf hat einmal geschrieben: 

„Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.“ Und ich ergänze: für das was wir in der Vergangenheit getan und nicht getan haben.

Zur Hoffnungstür, die sich auftut gehört gleichermaßen die Verantwortungstür, die in beide Richtungen durchschritten wird. Das heißt. wir mögen bei allem Glück über neue, geöffnete Türen vor uns bitte nicht die Verantwortung für das vergessen, was hinter und neben uns liegt, für das scheinbar Abgeschlossene, denn das tragen wir weiter mit uns.

Und dann ist da noch diese besondere Tür, von der im Predigttext für heute aus dem 1. Johannesbrief geschrieben steht: 

„Und das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, der hat das ewige Leben; wer den Sohn nicht hat, der hat das Leben nicht.“

Weit wird sie aufgetan, die Tür zum ewigen Leben und wir sind eingeladen hindurch zu treten, mehr noch wir werden dringend aufgefordert. Und die Jahreslosung –wenn auch aus einem anderen Zusammenhang- bestärkt das in den Worten Jesu: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ 

Tür auf für alle, die sich trauen, glauben und vertrauen.

Nicht so gerne lesen wir in diesem Zusammenhang den zweiten Satzteil, denn der sagt: Rumms - Tür zu für die, die das Angebot nicht annehmen. 

Was, wenn das wirklich so wäre? Wenn wir wohlmöglich vor der verschlossenen, verrammelten und vernagelte Tür stehen gelassen werden, um über die eigene Verantwortung nachzudenken und sich dieser zuerst zu stellen, bevor wir selig-hoffend durch die ewige Tür treten?

Mehr noch: Was, wenn es davon abhinge, ob WIR die Tür offenhalten?

Wenn es an MIR liegt? Da wird mir bange. Ich denke an das katholische Sündenbekenntnis in der Eucharistiefeier: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“

Gott, ich bin nicht würdig, dass ich eingehe unter dein Dach – erst recht nicht unter dein ewiges Himmelsdach. 

Gott hält uns die Tür auf, aber wenn wir nicht selbst einen Fuß dazwischen setzen, dann – das ist meine Überzeugung- wird sie sich erst einmal schließen.

Dass Gott uns das Ewige Leben gegeben hat – es bleibt eine Glaubenshoffnung. Es ist Gottes Zusage und Versprechen. Doch es ist Gottes Sache, beides einzulösen.  

Wie behalte ich also zwischen den Türen die Hoffnung und wo liegt meine Verantwortung?

Vorgestern haben wir im Gottesdienst an Silvester das persönliche Glaubensbekenntnis von Dietrich Bonhoeffer gelesen. Als er es zur Jahreswende 1944 schrieb, blickte er auf die verschlossene Tür seiner Gefängniszelle. Er konnte diese Tür nicht öffnen, aber es gab noch eine andere Tür, eine geöffnete Tür, offen zur Hoffnung hin. Zu einer Hoffnung, die Bonhoeffer nicht selbst gemacht hat, sondern die ihm ins Herz gelegt wurde, weil er sein Herz für diese Hoffnung geöffnet hat. Eine Hoffnung, die jede Menge Gottesliebe und Menschenliebe in sich trägt. Und eine Hoffnung, die auch auf drei mal drei Quadratmetern verbleibenden Lebens, die eigne Verantwortung nicht vor der Tür lässt. Er schreibt:

„Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern alleine auf ihn verlassen.

Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“ 

Dietrich Bonhoeffer spricht hier von Gott. Doch er blickt zu Gott, so könnte man vielleicht sagen, durch die Augen von Christus. Und so, wie DER noch am Kreuz die Kraft fand, den einen die Tür zum Himmelreich zu öffnen und anderen den Weg in neue, gute Familienverhältnisse zu weisen, ist auch dem eingesperrten Bonhoeffer die Kraft zugewachsen, sich in seiner abgeschlossenen Zelle Gott und der Welt in Christus zu öffnen. 

Er nimmt sich selbst, alle und alles in seine Glaubenshoffnung hinein. 

Und gleichzeitig lässt er bei aller persönlichen Hoffnung, die Verantwortung vor Gott und den Menschen nicht vor der Tür. 

Hoffnung und Verantwortung gehören zusammen, selbst in aussichtslosester Situation. 

Ich habe noch ein anderes Beispiel gelesen, bei dem Hoffnung und Verantwortung in besonderer Weise verbunden werden. Nämlich bei einem interessanten Projekt mit dem Titel: „Tür zu? Tür auf – Umzugsservice für Beziehungskisten“

Darin bietet jemand an, Menschen durch die ersten heftigen Tage einer Trennung zu begleiten. Er geht mit in die vertraute Wohnung, hilft Kisten packen und vermittelt zwischen zweien die Schlüsselübergabe, wenn alle Türen zugeworfen sind. Er bietet sogar ein Zimmer an für die erste unruhigen Tage und schlaflosen Nächte. Und eine zuhörende Begleitung.

Warum er das macht? Aus zwei Gründen, sagt er: Ich kenne auch die andere Seite und zugleich einen Freund, der mir damals beigestanden und gesagt hat: „Wenn wir da jetzt reingehen und Sachen holen, gehst du aufrecht. Geheult wird hinterher. Und lass um Himmels willen die Schuhe an.“

Das waren für ihn, sagt er, genau die richtigen Worte zur richtigen Zeit und fährt fort: Und wenn mich Gott damals so schön bewahrt und mir dann auch selbst so eine schöne Begabung geschenkt hat, kann ich nicht so tun, als wäre das nichts. Das ist nun meine Aufgabe in dieser Zeit. Christus sucht sich eben seine Verbündeten zum Türöffnen, wo und wann auch immer er will. 

Ein besonderes Beispiel, das ermutigt selbst zu überlegen: Wer war und ist für mich Türöffner:in gewesen? Wem war und bin ich Türöffner:in? 

Und könnte das genau das sein, was Gott von mir, von uns im kommenden Jahr erwartet? 

Für mich ist die Weihnachtstür noch einen ganzen Spalt geöffnet – ich gebe zu, der wird in den nächsten Tagen schmaler, aber ich bin froh, dass die Tür noch nicht zu ist. Und ich hoffe darauf, dass der Lichtstrahl noch eine Zeitlang ins neue Jahr scheint und mich leitet. 

Damit Hoffnung und Verantwortung auch im kommenden Jahr zusammen wachsen. Amen 

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