Pfarrer Markus Söffge - Predigt am 13. Juni 2021

Pfarrer Markus Söffge - Predigt am 13. Juni 2021

Pfarrer Markus Söffge - Predigt am 13. Juni 2021

# Impulse

Pfarrer Markus Söffge - Predigt am 13. Juni 2021

2. Sonntag nach Trinitatis

1. Korinther 14,1-12

Liebe Gemeinde,

Was ich hier in Rellinghausen von Anfang an schön fand und gar nicht selbstverständl das ist, dass die Gottesdienstgemeinde am Sonntagmorgen nicht nur aus einigen Senioren, versprengten Erwachsenen und mehr oder weniger zwangs-verpflichteten Konfirmand:innen besteht, sondern dass es fast immer eine ganz bunt gemischte Gemeinde ist. Das war sogar bei den Zoom-Gottesdiensten im zurückliegenden halben Jahr so und so ist es auch heute – eine bunte Gemeinde: Ich sehe die, die sich nach diesem Sonntagsgottesdienst in der Kirche gesehnt haben, weil für sie ohne den gemeinsamen Gottesdienst kein richtiger Sonntag ist; welche, die sich freuen, endlich wieder so schöne Musik zu hören, die Augen schließen zu können und die Seele schwingen zu lassen; einige, die zum ersten Mal hier sind, die neugierig die Kirche in Augenschein nehme die Farben, das Licht, die ganze Atmosphäre; Presbyter:innen, Küster die sich nicht nur auf den Gottesdienst freuen, sondern auch darauf, gebraucht zu werden, aktiv mitmachen zu können.

Und unter uns allen sind solche, mit tiefer Frömmigkeit und festem Glauben, die kein Gesangbuch für die Lieder brauchen weil sie die Texte im Herzen tragen, solche für die der Sonntagsgottesdienst ein Moment der Ruhe ist, eine Zeit für sich und für Gott, Menschen die darauf warten, dass Gott ihnen begegnet, sie anspricht und die sich mit ihren Sorgen und Nöten an ihn wenden. Und auch die, die ihre Fragen haben, erwartungsvoll oder skeptisch auf der Suche.

Wir alle kommen aus ganz unterschiedlichen Gründen, aber gemeinsam ist uns, dass wir darauf hoffen, etwas zu erleben, etwas zu finden, etwas mitnehmen zu können, einen Gedanken, ein Wort, einen Impuls, einen Trost, Töne und Lieder, die Gemeinschaft.        Ähnlich bunt und vielfältig muss es damals auch in Korinth gewesen sein. Korinth, eine römische Kolonie und pulsierende Hafen- und Handelsstadt; die Straßen voll mit Händlern aus vielen Ländern, Touristen, Einheimischen; auf den Märkten fremdartige Waren und tausenderlei Gerüchen. Und neben vielen anderen Religionen und religiösen Gruppen dort, gab es auch die christliche Gemeinde. Sie war ein bisschen so, wie die ganze Stadt: es gehörten wohlhabende Händler dazu, einige, die in der Stadtverwaltung arbeiteten, genauso wie Handwerker und Arbeiter oder solche, die von Almosen lebten; Männer, Frauen, Freie und Sklaven. Und es kamen immer wieder andere hinzu; sie essen und trinken miteinander. Sie unterhalten sich. Sie hören, was einige mit Jesus erlebt haben und sie erzählen sich gegenseitig von ihrem Glauben. Doch im Unterschied zu unseren Gottesdiensten, stehen dort immer wieder welche auf und reden und schreien unverständliches Zeug. Sie werfen die Arme in die Luft oder fallen auf den Boden. Sie reden oft stundenlang, auch mehrere durcheinander und kein Mensch versteht, was sie meinen. – Das gibt es auch heute noch. Hier in Europa weniger, aber in Amerika und Afrika sind solche Pfingstgemeinden auf dem Vormarsch. Und die Meinungen darüber, was von denen zu halten ist, die so auftreten und rede waren schon damals geteilt: „Die sind vom Geist ergriffen“ – sagen manche – andere sind weniger freundlich und schütteln den Kopf: „Die sind betrunken oder völlig verrückt.“

In jedem Fall versteht kein Mensch, was die reden und worum es eigentlich geht - und das geht nicht, sagt der Apostel Paulus und schreibt der Gemeinde in einem Brief Folgendes dazu: „Strebt nach den Gaben die der Heilige Geist verleiht – vor allem aber danach, als Prophet zu reden. Wer in unverständlicher Sprache redet, spricht nicht zu den Menschen, sondern zu Gott –und sich selbst – denn niemand versteht ihn. Was er unter dem Einfluss des Geistes sagt, bleibt ein Geheimnis.Wer dagegen als Prophet redet, spricht zu den Menschen. Er baut die Gemeinde auf, ermutigt sie und tröstet sie.“   Soweit ein paar Sätze aus dem Brief.

Paulus stellt dem Zungenreden, dem verzückten Sprechen unter dem Einfluss des Heiligen Geistes – das prophetische Reden gegenüber. Beides kommt vom Heiligen Geist. - Das finde ich gut: Paulus lässt diese Vielfalt der Stimmen erst einmal gelten, er legt nicht von vorneherein selbst den Maßstab an, was vom Heiligen Geist kommt und was nicht, also was richtig ist und was falsch. Er kann die Verschiedenheit der Geistesgaben nebeneinander stehen lassen, selbst dort, wo keiner versteht, was gemeint ist. Das nenne ich großherzig und weise: andere Meinungen, andere Stimmen, andere Überzeugungen nicht sofort zu verurteilen, abzukanzeln, das eine für reine Lehre und das andere für häretisch und verwerflich zu erklären. Das ist der Kirche später nicht so oft gelungen; da wurden anders Glaubende und anders lebende schnell verteufelt, ausgestoßen oder zwangsgetauft und leider gilt das für alle drei monotheistischen Religionen bis heute.

Und ich merke, wie Paulus den Spagat versucht zwischen der Anerkennung des Wirkens des Heiligen Geistes- der unverfügbar ist und weht wo er will – und dem klaren Hinweis, dass nicht jedes Zungenreden alleine schon Glaubenszeugnis ist. Auch das gefällt mir: Und weil Paulus beides gelten lässt macht er damit diese zentrale Erfahrung stark: Gott redet mit seiner Gemeinde, in ihrer Mitte, durch sie – es gibt sie, diese Verbindung zwischen Himmel und Erde, auch ohne die Anwesenheit Jesu. Und die Mittel der Verkündigung können und dürfen ganz verschieden sein, unterschiedliche Medien – wie wir sie in den vergangenen Monaten auch verstärkt genutzt haben – verschiedene Bilder – alte und moderne Sprache (in der Bibel oder den Bekenntnissen), und das nicht nur in Worten, sondern auch durch die Sprache der Musik. Diese Vielfalt gehört dazu, macht die Verkündigung reich; sicher, da ist Toleranz gefragt, eine muss auf die andere hören, oder eben auch mal die Ohren zuklappen, wir müssen Geduld miteinander haben. Doch ohne die Vielfalt sogar jenseits dessen, dass ich alles verstehen muss, bleibt Glauben tot.

Aber Vielfalt alleine reicht nicht aus; ein paar Kriterien zur Einordnung gibt es nach der Überzeugung von Paulus schon: Zungenreden, sagt er, ist nur Selbsterbauung, Selbstvergewisserung, die anderen stehen nur doof daneben und haben nichts davon. Paulus sagt: Das bringt nichts. Ich muss nicht immer alles verstehen, aber –so würde ich seine Worte deuten - ich muss etwas mitnehmen; also was ich höre, muss mich erreichen, bei mir irgend eine Seite zum Klingen bringen –oder wie Paulus schreibt, am besten: „Aufbauen und stärken, ermutigen und trösten“

Und das erlebe ich hier unter uns, und freue mich darauf, es bald nicht nur in der Kirche, sondern auch im Gemeindezentrum, draußen im Garten, bei vielen Gelegenheiten und Anlässen zu erfahren, wenn in großer Verschiedenheit vom Glauben gelesen, gesungen, gepredigt, erzählt, gespielt wird.

Vertrauen wir dabei ganz auf den Heiligen Geist – wer sich dem öffnet, mit Herz, Verstand und Hand – wird fündig werden. Und wer weiß – manche entdeckt dabei vielleicht sogar die Prophetin / den Propheten in sich. Bleiben wir miteinander offen und neugierig und lassen uns überraschen.

AMEN

Dies könnte Sie auch interessieren

0
Feed